Ein Porträt von Mathias Schulze.
Die Schauspielerin Nina Maria Föhr hat der Dokumentation von Enno Seifrieds "Geschichten hinter vergessenen Mauer – Lost Places Storys aus Leipzig" wie bereits auch den Vorgängern, ihre Stimme geliehen.

Nina Maria Föhr gestikuliert, die Hand stützt leicht den Kopf, den Schmollmund umspielen Lachfalten: „Da, wo ich herkomme, da gibt es kaum Arbeitslosigkeit. Dort wissen die Kinder noch, dass die Milch von den Kühen kommt." Allgäu, Geburtsort Erolzheim, Oberschwaben. Trotzdem oder gerade deswegen hat es die 32-Jährige in die weite Welt verschlagen: „Viele in meiner Heimat sagen, dass die Schauspielerei ein ganz hartes Brot ist. Mittlerweile sehe ich das entspannter."
Sofort, gleich am Anfang des Interviews, stellt sie eine lockere Atmosphäre her. Ist das nun einfach eine professionelle Haltung, temporäre gute Laune oder ein warmer Charakterzug? Bei Föhr verschwimmen diese Kategorien. In Hamburg hat sie studiert, drei Jahre lang am Schauspielstudio Frese. Nach der Ausbildung ging es an die Landesbühne Esslingen, hat es eine Festanstellung gegeben. Was für viele Schauspieler ein Traum ist, war für sie nur eine Zwischenstation. Rückblickende Erläuterungen: „Den Team-Gedanken finde ich toll, am Stadttheater spielt das Hierarchische schon eine große Rolle." Freiwillig ist sie in die Selbstständigkeit gegangen, mittlerweile kann man Föhr nicht selten im Fernsehen sehen.
Seit Ende 2007 lebt sie in Leipzig. Damals in Esslingen sind die Kontakte entstanden. Tilo Esche, früherer Intendant des Theater der Jungen Welt, frohlockte mit der Messestadt. In Leipzig sei der gesellschaftliche Druck nicht so beklemmend. Im Allgäu sei man schneller stigmatisiert, gerade wenn man nichts hat. Dann sei der Leidensdruck dort größer.
Anfangs ist Leipzig eine fremde Welt gewesen, im Plauderton fährt sie fort: „Als mir Enno Seifried damals von den verlassenen Gebäuden erzählte, konnte ich damit überhaupt nichts anfangen." Heute ist sie nicht nur seine Mitbewohnerin, sondern auch die Sprecherin der erfolgreichen „Lost Places"-Reihe.
„Letztlich ist jeder Schritt in die Zukunft gut.." Die Leipziger Schauspielerin Nina Maria Föhr.
Für die Schauspielerin ist das aber nur ein Standbein, sie hat ein Gesamtpaket geschnürt und versucht ihren Lebensstil zu erklären. Plötzlich lehnt sie sich nach vorn, die Hände gestikulieren, ein „Tschakka, die Waldfee" zischt ihr von den Lippen, saust durch die Frühlingsluft. Föhr sieht sich selbst als gewissenhaft und pocht mit den Fingern auf den Tisch: „Wenn man zusagt, dann macht man es richtig. Ich kann nichts mit halben Kraft anpacken. So kann man in diesem Beruf nicht bestehen, die Freie Szene ist kein Laientheater."
Ihre Professionalität weiß auch der Verein Clownsnasen zu schätzen. Ausgebildete Clowns und Schauspieler treffen sich einmal in der Woche zum Training und ergänzen das medizinisch-therapeutische Angebot in Krankenhäusern. In Kinder- und Jugendtheaterprojekten gibt sie zusätzlich Unterricht. Und schließlich habe sie noch einen Agenten, der in München sitzt. Ausschließen kann die Mimin nichts, Leipzig ist ihr aber schon ans Herz gewachsen. Sie zieht die Stirn in Falten: „Alles ist im Wandel, man kann nix festhalten. Letztlich ist jeder Schritt gut, Zukunftsängste kenne ich kaum noch."
Manchmal ruft die Mama am Abend an, gerade bei härteren Rollen ist der Spiegel der Umwelt sehr wichtig: „Wenn ich zu sehr in der Figur drin bin, kann es passieren, dass der Klang der Stimme eine andere Farbe bekommt. Sind es extreme Rollen, nehme ich auch mal die Gefühlswelten der Figuren an." Ein einfaches Gespräch kann dann schon mal eine normalisierende Funktion haben. Weichere, romantische Rollen, wie beispielsweise oft beim Sommertheater im Gohliser Schlösschen, im Juli wird es anlässlich des 250. Todestages von Madame de Pompadour ein gleichnamiges Stück geben, übertragen sich auch aufs Gemüt: „Da fühlste dich dann einfach nur gut."
Die Hände unterstützen erneut lebhaft die Sätze. Es kommen Zweifel, die man spontan innerlich verneint: „Ich hinterfrage mich oft. Ist es ehrlich, was ich mache? Kommt es aus dem Bauch? Kann ich die Leute erreichen? Bin ich langweilig? Gehe ich in der Rolle auf?" Auf der Bühne sei es komplex, da gibt es einerseits Platz, den Egotrip, den eigenen Monolog. Der muss sitzen, da kann man sich auch mal verlieren. Und andererseits gibt es die Mitspieler, die Requisiten, den Ablauf. Die müssen beachtet werden, die Partner sollten mit eingebunden werden. Rasche und bewusste Wechsel, Hochspannungskonzentration ist notwendig.
Föhr ergreift die Serviette auf dem Tisch: „Es gibt nie immer nur das Eine. Vielleicht hab ich ja auch bald eine Familie, ein Kind. Für mich gibt es nichts Schöneres als zu sagen, dass ich Beruf und privat nicht mehr trennen kann." Quirlig schiebt sie hinterher: „Und jetzt soll es noch ein Bild werden? Hoffentlich sehe ich heute nicht zu müde aus." Ihre Lachfalten verraten das Gegenteil. Tschakka, die Waldfee.
Kurze Biografie:
Nina Maria Föhr ist 1982 in Oberschwaben, im Illertal geboren und aufgewachsen. Bereits während der Schulzeit entwickelte sie ihre Liebe zum Theater und zur Schau-spielerei. Von 2000 bis 2003 besuchte sie die staatlich anerkannte Berufsfachschule für Schauspiel „Schauspielstudio Frese“, in Hamburg. Während dieser Ausbildung nahm sie auch an Projekten mit Regiestudenten der Hochschule Hamburg teil. Hier spielte sie unter anderen in den Stücken: "Hänsel und Gretel" und "Himmelwärts". Außerdem drehte sie bei Studio Hamburg für die Serie "Die Rettungsflieger". Neben ihrer Ausbildung nahm Nina Maria Föhr Gesangsunterricht in den Bereichen Musical, Chanson und Kunstlied und widmete sich dieser Leidenschaft in Liederabenden.
In der Zeit von 2004 bis 2008 war Nina Maria Föhr festes Mitglied im Schauspielensemble der „WLB Esslingen“ und nahm anschließend auf einer knapp 2.500 Kilometer langen Wanderschaft vom Bodensee bis zum Kap Finisterre in Spanien eine berufliche Auszeit.
Seit 2008 lebt sie in Leipzig, wo sie an verschiedenen Theatern unter anderem als Buhlschaft in „Jedermann“, Elektra in „Elektra“ und an der Seite von Peter Schneider als Sylvette in die „Romantiker“ zu sehen war.
Aktuell arbeitet Nina Maria Föhr, neben verschiedenen Drehs, bei Film und Fernsehen, an dem dritten Teil der Dokumentarfilmreihe „Geschichten hinter vergessenen Mauern“ und leiht diesem Stück Zeitgeschichte wiederholt ihre Stimme als Erzählerin.